Das Thema Immobiliensuchmaschinen wird nun auch in Deutschland immer relevanter. Ich freue mich daher sehr, dass ich Ed Freyfogle, Betreiber der britischen Immobiliensuchmaschine Nestoria, ein paar Fragen stellen konnte.

Du bist Mitgründer von Lokku Ltd mit Sitz in London. Kannst Du uns etwas zu deinem Background erzählen und wie es dazu kam eine Firma zu gründen, die eine Suchmaschine für Immobilien entwickelt?

Im Bereich Immobilien sind wir eigentlich Quereinsteiger. Ich bin Deutsch-Amerikaner und habe fünf Jahre für Yahoo! Deutschland in München gearbeitet. Das war eine sehr interessante Zeit, vor allem meine zwei Jahre im Bereich Suche während denen ich miterlebte wie die Konkurrenz Google groß wurde und Textanzeigen Bannerwerbung abgelöst haben. 2003 bin ich dann zurück nach USA gegangen um einen MBA am MIT zu machen. Danach habe ich zusammen mit einem Kollegen von Yahoo! beschlossen selbst eine Firma zu gründen, die vertikale Suchmaschinen anbietet. Dass es eine Immobiliensuchmaschine geworden ist, liegt einfach daran, dass wir in diesem Bereich einen Bedarf gesehen haben. Trotzdem sind wir vor allem Spezialisten für Suchtechnologie geblieben, über Immobilien lernen wir immer noch jeden Tag etwas neues. Ich selbst habe noch nie ein Haus gekauft bzw. verkauft!

In eurem deutschen Blog hattet ihr bereits etwas dazu geschrieben, aber kannst du trotzdem nochmal kurz erklären, was eine vertikale Suchmaschine ist?

Internet Suchmaschinen durchsuchen alles und präsentieren Millionen Ergebnisse. Eine vertikale Suchmaschine konzentriert sich auf einen Themenbereich. Deshalb kann der Nutzer zum Beispiel bei Nestoria Suchkriterien wie die Zimmeranzahl festlegen, das geht bei Google oder Yahoo! nicht.

Eins ist uns besonders wichtig: Wir sind kein Immobilienportal. Das erkennt man daran, dass wir den Nutzer nicht auf Nestoria halten wollen sondern schon nach zwei Klicks wegschicken. Wir haben nur eine Suchmaske und eine Ergebnisseite auf der wir nur die wichtigsten Informationen anzeigen.

Wie kommen die Immobilien bei euch in die Datenbank? Habt ihr Crawler laufen um die Daten abzuholen oder werden sie euch in irgendeiner Form geliefert?

Wir haben Partner, die uns Ihre Daten liefern. Crawling ist technisch extrem aufwändig, vor allem weil Immobilienangebote oft sehr kurzlebig sind.

Der Nestoria Rank bezeichnet den Ranking-Algorithmus von Nestoria. Magst du dazu etwas sagen oder ist das wie bei anderen Suchmaschinen „streng geheim“?

Nestoria Rank ist unser Begriff für „Relevanz“ und um die zu bestimmen haben wir viele Kriterien. Im Gegensatz zu den meisten Immobilien-Ergebnisseiten sortieren wir standardmäßig nicht nach Preis oder Wohnraum. Zum Beispiel ist ein Angebot mit Bild für den Nutzer relevanter als eines ohne. Wichtig ist, dass es nicht möglich ist, einen höheren Nestoria Rank zu erkaufen oder zu ersteigern.

Was unterscheidet Nestoria von anderen Immobilien-Suchmaschinen?

Viele Leute verwechseln Portal und Suchmaschine. Unser Ziel ist es, einen Service anzubieten mit dem man schneller relevante Immobilienangebote findet. Wir glauben, und die Zahlen in Spanien und Großbritannien beweisen, dass das für manche Nutzer manchmal, aber nicht immer, nützlich ist.

Was glaubst du müsst ihr anders machen als bereits bestehende Player um am deutschen Markt Fuß fassen zu können?

Wir bieten nur ein Produkt an: eine Suchmaschine. Und wir hoffen, das sehr gut zu machen. In Großbritannien und Spanien finden viele Nutzer Nestoria hilfreich, und wir hoffen, dass das in Deutschland (und Italien) genauso ist. Wir sehen uns dabei aber nicht als Konkurrenz zu bestehenden Playern, sondern vielmehr als Partner. In den Märkten, wo wir bisher aktiv sind, arbeiten wir jeweils mit den größten Playern zusammen, zum Beispiel Rightmove, Idealista und PropertyFinder und viele andere. Das wollen wir natürlich auch in Deutschland.

Es ist keinerlei Werbung bei Nestoria zu sehen? Wie finanziert ihr euch?

Wie man auf unseren englischen und spanischen Seiten sieht, gibt es auf Nestoria keine Werbung. Und das wird auch so bleiben. Geld verdienen wir, weil wir für die von uns generierten Leads bezahlt werden, ähnlich wie Product-Suchmaschinen.

Einen spanischen Ableger von Nestoria gibt es schon länger. Der Start in Italien und Deutschland steht kurz bevor. Gibt es schon weitere Expansionspläne?

Nein, erst einmal konzentrieren wir uns auf Deutschland und Italien. Wir selbst sind ja keine Spezialisten im Bereich Immobilien und lernen deshalb sehr viel von unseren Nutzern. Nach was wird gesucht? Und mit welchen Kriterien schränken die Nutzer ihre Suche ein? In den nächsten Monaten werden wir das Nutzerverhalten ganz genau analysieren und, wenn nötig, die Seite anpassen.

Danach werden wir erst wieder darüber nachdenken, wie es weitergeht. Als Spezialisten für vertikale Suche kommt für uns nicht nur in Frage in andere Länder zu expandieren, sondern auch, ein neues Produkt zu entwickeln und neben Immobilien auch nach etwas anderem zu suchen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Eine Suchmaschine die alle Immobilienportale durchsucht könnte als Konkurrenz gesehen werden. Wie waren die Reaktionen der Portale bei ersten Kooperationsgesprächen?

Dieser Befürchtung stehen wir anfangs in jedem Land gegenüber. Unser Verhalten während der letzten zwei Jahre hat aber bewiesen, dass wir ein verlässlicher Partner sind und uns nur auf eins konzentrieren: unsere Suchmaschine. Deshalb gibt es bei uns auch keine Extrafunktionen, wie Makler Homepage, Umzugsservice, Finanzcenter, usw.

Europaweit haben wir mehr als 30 Immobilienportale und Verlagshäuser als Partner. Wir glauben, dass wir unseren Partnern im sowieso schon harten Konkurrenzkampf eine Hilfe sind, indem wir zusätzlichen Traffic generieren. Als mögliche Konkurrenten sollten Immobilienportale vielmehr die Platzhirsche des Internet (zum Beispiel Google oder Ebay) im Auge behalten.

Wie wollt ihr die notwendigen Besucherzahlen generieren? SEO, SEM, andere Online/Offline-Werbung? Das wird alles viel Geld kosten. Der Name Nestoria muss bekannt werden.

Als Mini-Startup (wir sind nur 9 Mitarbeiter) haben wir sehr wenig Geld für Marketing. Wir glauben, dass wir ein innovatives Produkt haben, das bei manchen Leuten gut ankommt. Wir setzen auf Mundpropaganda. So sind wir auch in Großbritannien auf 500.000 Nutzern und in Spanien auf 200.000 Nutzern im Monat (laut comScore) gewachsen.

Wie sieht es mit einem Whitelabel-Produkt zur Integration in bestehende Websites aus?

Diesbezüglich arbeiten wir schon mit einigen Partnern in anderen Ländern, zum Beispiel mit The Independent in England. Hoffentlich können wir euch diesbezüglich schon bald Neuigkeiten aus Deutschland verraten.

Ihr experimentiert recht viel herum und seit bei „Spielereien“ oft sofort mit dabei. Es stellt sich dann immer die Frage: Lohnt sich das. Zum Beispiel die Entwicklung einer Facebook-Anwendung oder Widgets. Werden solche Tools genutzt?

Jein. Manche werden benutzt, andere nicht. Wir entwickeln diese „Spielereien“ oft vor allem, um neue Technologien und Dienste kennenzulernen. Das ist uns wichtig, genauso wie der Austausch mit anderen Entwicklern. Ich selbst werde zum Beispiel im Juli bei der State of the Map“ Konferenz von OpenStreetMap sprechen. Auf der Europäischen Perl Konferenz – Perl ist die Programmiersprache die wir hauptsächlich einsetzen – in ein Paar Monaten werden unsere Techniker auch wieder dabei sein.

Was können wir in Zukunft erwarten? Neue Features, neue Länder oder neue vertikale Suchmaschinen?

Erstmal haben wir viel zu lernen: Über deutsche Nutzer, italienische Nutzer und weiterhin auch über die Nutzer in Großbritannien und Spanien. Dafür freuen wir uns über jedes Feedback. Wer immer auf dem neuesten Stand über neue Funktionen, Länder oder Produkte sein will, abonniert am Besten unseren Blog unter www.blog-nestoria.de